Im zentralen Hochland Guatemalas liegt auf rund 2.000 m in den Bergen der Sierra Madre die Stadt Chichicastenango, von ihren indigenen Maya-Bewohnern der Quiché liebevoll Chichi genannt. Und das hat nichts mit dem französischen „Chichi“ zu tun, welches eher gekünsteltes oder affektiertes Benehmen oder aber zu viel Schnörkelei umschreibt.
Dies ist den Bewohnern dieser von Landwirtschaft geprägten Region, der Kornkammer des Landes, mit Sicherheit völlig fremd. Hier geht es robust, traditionell, hart arbeitend aber auch freundlich herzlich zu. Donnerstags und Sonntags findet der überregionale Markt statt, der sich rund um die 1524 erbaute Kirche Santo Tomas legt und nicht nur die rund 30.000 zählenden Einwohner versorgt, sondern auch die über 100.000 Einwohner zählende Gesamtgemeinde. Im Laufe der Jahre mauserte sich der Markt und wuchs so zum größten seiner Art in Mittelamerika.
Und heute, am Sonntag, scheinen alle gekommen zu sein, um sich wieder mit Vorräten, Kleidung, Tieren, Elektrogeräten, Möbeln etc. einzudecken und nebenbei auch den spirituellen Belangen nachzugehen. Denn auch wenn die zentrale Kirche mit ihren 18 Treppenstufen eigentlich von den Katholiken gebaut wurde, so nutzen die Schamanen und Heiler der Maya genauso die Örtlichkeit, um Kerzen und Weihrauch anzuzünden, das Feuer mit Schnaps zu beleben und Blumenopfer darzubringen.
Natürlich nutzen wir auch den Markt, um unsere Gemüse- und Obstbestände ein wenig aufzufüllen, doch das ist angesichts der Bildgewalt, der Flut an Eindrücken zur reinen Nebensache verkommen und wird ganz zum Schluß des Tages irgendwie erledigt.
Es wird gedrängelt, gelegentlich auch etwas geschoben, doch nie geht es ungemütlich oder unfreundlich zu. Im Gegenteil, die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Marktstandbetreiber begeistert, wir schwimmen in der Masse mit und tauschen die ein oder andere Floskel mit anderen Marktbesuchern aus. Woher wir kommen (Alemania), woher wir kamen (aus dem Norden, Coban), wohin wir wollen (Richtung Süden, Lake Atitlan), nichts tiefgründiges aber mit unserem Spanisch irgendwie machbar.
Beim Durchstreifen der Straßenschluchten führt uns der Weg automatisch auch zum hiesigen Friedhof vorbei, der auch „Friedhof der Farben“ genannt wird. Hier finden jetzt, Ende Oktober, die Vorbereitungen für den Tag der Toten statt. Es wird geputzt, gemalt und aufgeräumt, die Gräber der Verstorbenen von den Angehörigen hergerichtet. Hierbei geht es nicht leise oder besinnlich zu, denn die ganze Familie kommt mit Getränken und Picknickgeschirr dazu und zelebriert das Ganze. An den speziell hierfür errichteten überdachten Feuerstellen werden kreisrunde Feuer mit unterschiedlichsten Zutaten kreiert, die uns westlich geprägten Friedhofsbesuchern surreal vorkommen. Auf einer Schicht getrockneter Tannenzapfen stapeln sich Kerzen, Kräuter, verschiedenfarbige Pulver, gelegentlich Eier oder Getränkedosen, alles wird am Ende in einem rauchverhangenen Feuer in Brand gesetzt.
Um tief in die Kultur der indigenen Quiché Bevölkerung einzutauchen, hierzu bedarf es wahrscheinlich Monate, wenn nicht sogar Jahre inklusive guter Sprachkenntnisse. Doch die 4 Tage, in denen wir das Leben in Chichicastenango ein wenig beobachten dürfen, bereichern uns auf jeden Fall und wir möchten die Stippvisite auf keinen Fall missen. Für solche Momente im Leben reisen wir und begeistern uns Tag für Tag aufs Neue.