In unserem Reiseleben gibt in der Regel die Sonne den Rhythmus vor. Mit Sonnenaufgang klappen wir unsere Äuglein auf, abends um 22 Uhr klopft das Sandmännchen an uns lädt uns zum Schlafen ein.

Hier, beim Karneval in Rio de Janeiro, läuft alles ein bisschen anders. Da muss sich unsere Biologie ein wenig umstellen, denn das Highlight des Jahres beginnt erst um 22 Uhr und endet voraussichtlich so gegen 4 Uhr morgens. Wie bitte soll das denn klappen? Doch das haben wir uns nun selber eingebrockt, und irgendwie werden wir unseren schlafverwöhnten Körper schon umpolen.

Wir ergattern im Vorfeld 2 Tickets für das legendäre Sambódromo, dem mit größten Karnevalsfestival der Welt. 12 Sambaschulen tanzen, verteilt auf 3 Abende mit jeweils 4 Sambaschulen, vor einer ausgewählten Jury um die Krone der besten Sambavorführung. Wir sind in der Nacht von Montag auf Dienstag mit von der Partie, sitzen in Sektor 7 genau in der Mitte. Hier geht es um Geld, Ehre, Ruhm. Die besten Sambatänzerinnen bereiten sich das ganze Jahr auf diesen Moment vor, trainieren knüppelhart, haben bis zu 15 Millionen Follower bei Instagram & Co.

Die Vorgaben sind streng, jede Sambaschule bekommt für den 700 Metern langen Weg durch das gerade verlaufende Stadion genau 80-84 Minuten Zeit, um mit seinen 3.000-5.000 Teilnehmern tänzerisch eine Geschichte zu erzählen. Und das immer mit dem gleichen Lied, welches sich in Variationen kontinuierlich wiederholt.

Wir sind schlichtweg geflasht, berauscht von der Atmosphäre, der immer wiederkehrenden Sambamusik, den farbenfrohen und kreativen Kostümen sowie den grandios gestalteten Motivwagen. 5-6 Wagen begleiten alleine jede der Sambaschulen, und die Detailverliebtheit der gesamten Performance überfrachtet Auge, Ohr und Hirn. Überall versteckte kleine Elemente zum Betrachten, schräg tanzende Kostüme an den Seitenwänden der Motivwagen, fulminante Einzel- und Gruppentänzer und Tänzerinnen. Die Trommlerbands der Sambaschulen, bestehend auch ca. 400 Musikern, laufen in der Mitte des Zuges und sind somit von Anfang bis zum Ende der jeweiligen Show, mit ihren präzisen Schlägen weithin zu hören. Höllisch gut.

Was für ein irres Spektakel, und wir haben das Glück mit Beja Flor, der zweiten Sambaschule des Abends, den Gesamtsieger des diesjährigen Karnevals 2025 mit zu sehen zu bekommen. Wir sind nur 2 von 88.500 Besuchern im voll besetzten Sambódromo, die begeistert die Fähnchen schwenken und sich keine Sekunde des berauschenden Abends entgehen lassen. Gemeinsam mit vielen anderen müden Füßen verlassen wir nach dem Durchzug der letzten Sambaschule gegen 4.30 Uhr morgens die Tribüne und begeben uns im sicheren Tross abziehender Fans zur Metrostation. Und fallen 30 Minuten später erschöpft, aber angereichert mit Glückshormonen, aufs Kopfkissen.

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